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Das Individuum zwischen Intuition und Institution

 "Sie haben in Ihrem letzten Posting aus der Hermeneutik als Sinnfrage etwas ausgeblendet, mein Lieber!", sagt Niklas Hardenberg vorwurfsvoll, und ich wünsche mir, er wäre schon in der Realität der freien Kulturszene angekommen, hätte seinen Platz in einem freien Theater eingenommen und würde als Dramaturg, Öffentlichkeitsarbeiter und Mädchen für alles wirken. Da hätte er keine Zeit mehr, mein letztes Posting anzusprechen. Ich weiß, was er meint, aber ich würde es am liebsten ausgeblendet lassen: die Hermeneutik als die Kunst des Bibelverstehens. Die Kunst, sich damit zu beschäftigen, was Offenbarung ist, ohne dass ihr Sinn offenbar wäre. Wir sind im 21. Jahrhundert, da hat die Spiritualität ein anderes Gewicht, irgendwie ist sie viel leichter, hat ein monetär gewordenes Vielleicht mit vorgeschalteter Werbung auf youtube. Die Klickzahlen zählen, die Anzahl der Aufrufe, und es ist nicht daraus ersichtlich, wer wieviel davon gesehen, geschweige denn verstanden hat, wer wieviel

Die Sinnfrage

Die Sinnfrage Und die große Melancholie In einer Email an eine sehr gute Freundin habe ich es in der Betreffzeile formuliert, nur in der Kommunikation und in konkreten auf Kommunikationssituationen bezogenen Momenten fallen mir die Formulierungen ein, die ich für mein Anliegen für die besten halte. Ich relativiere und kontextualisiere - ich glaube, darin bin ich ein Moderner. Ich versuche, die verwendeten Begriffe verstehbar zu machen. Ich expliziere und definiere, beschreibe und gebe Beispiele oder entwickle Metaphern, Symbole, Gleichnisse, aber der Trauer, die mich erfasst hat, werde ich nicht Herr. Die Betreffzeile jedenfalls lautet: «Existenzielle Albernheit und Sinn-Hermeneutik». Nachträglich kann ich das ausbauen: Naturlich geht es bei der Hermeneutik immer um Sinn, Sinnsuche, um Sinn-Findung im Dienste der Kunst des Verstehens dessen, was als Text oder Kunstwerk vorliegt. Irgendwann zugespitzt auf die Erwartung, den Autor besser zu verstehen, als er sich selbst verstanden hat. D

Der Hardenberg-Bericht

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Es ist der regnerischste 14. Juli 2021, den ich mir vorstellen kann. Vielleicht wird es demnächst die Wetterstatistik bestätigen - vielleicht aber auch nicht. Ein Tag, den es allzu wichtig zu nehmen nicht lohnt, denke ich erst und antworte auf Auf ask.fm als Klugdiarrhoe: « Was ist denn hier looos?😱 Wie siehst du denn aus? Was machst du hiieer? Klugdiarrhoe... Gleich lach ich mich kaputt :))) Draußen regnet der Jahrhundertregen. Google hat eine Unwetterwarnung rausgegeben und mein vierbeiniger Freund und ich haben den entspanntesten Tag des Jahres im Garten bzw. Gartenhäuschen. Es gibt ein Lied, in dem es heißt: «Selbst die Sintflut dauerte nicht ewig». Und so sehe ich gerade aus:   Ich habe Biermanns Vertonung des Brecht Gedichts aus den Buckower Elegien im Kopf. Und eigentlich möchte ich seit Monaten schon endlich, endlich den Hardenberg-Bericht schreiben, den ich aber nicht so schreiben möchte, wie es die Bürokratie von mir verlangt,

Corona

«Ich habe mal von einem Theaterbesuch geträumt», sagte Niklas Hardenberg grinsend. «Wissen Sie? Die Masken ändern sich!» Das Projekt kam zum Erliegen, dessen war ich mir sicher. Nichts ging mehr, aber ich hatte nun einen Dämon an meiner Seite, in meinem Ohr, in meinem Kopf. Manche erzählen, sie gingen mit einem Känguru durch die Welt, ihr Känguru ist lustig und ironisch und macht sie berühmt, mein Känguru ist ein Dämon, nicht lustig, vielleicht ironisch, meistens zynisch. Ich wollte schon seit längerem mein Verhältnis zum Zynismus überdenken, schließlich habe ich einen Hundefreund, der mich zum Hundefreund gemacht hat. Ich bin absolut kynophil geworden. Hardenberg aber macht es mir kein bißchen einfach, den Zynismus für mich neu zu definieren. «Nun brauchen Sie eine Atemschutzmaske.» «Ich weiß», sagte ich kurz angebunden. «Die Freiheit stirbt mit einer Maskerade. Wer hätte das gedacht? Wir wollten doch über die freie Kulturszene nachdenken, sie erforschen und daraus eine Kultur der F

Die Wahrheit über Sancho Pansa

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Franz Kafka greift ein archetypisches Motiv auf - das ist die Wahrheit über Sancho Pansa. Er braucht zwei Schritte, um seinen Teufel sich vom Leibe zu halten: 1. er bannt ihn durch Erzählungen am Abend und in der Nacht ("durch Beistellung einer Menge Ritter- und Räuberromane in den Abend- und Nachtstunden"); 2. er gibt ihm einen Namen. Wer die Macht hat, den Dingen und Phänomenen einen Namen zu geben oder anders ausgedrückt: sie zu benennen, schafft es, sie zu beherrschen, indem er sie begreift - in Begriffe (Namen) packt. Das könnte auch eine Täuschung sein, denn es gibt auch religiöse Annahmen, die davon ausgehen, dass die Benennung des Bösen, es wach und in den Raum ruft. Jedenfalls wird, und das könnte nicht nur spekulativ sein, eine Beziehung zwischen Sprache und Realität und Realität und Sprache angenommen. Manchmal präformiert Sprache Realität und gibt ihr eine Gestalt, die die Wahrnemung schärft und die Phänomene verdeutlicht. Und die erzählende Sprache bringt di

Der rote Faden

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Der rote Faden Der Hund im Hintergrund, mein Freund Diego, ein Teil meiner Seele, meines Herzens, mein Glücksbringer, mein Glück und Streckenabschnittsbegleiter ist im Moment verschwunden - nein, nicht verschollen! Nur verschwunden aus meinem Gesichtsfeld, aus meinem MagicMysteryHouse, aus meinen kommenden Tagen. Er ist wieder bei seiner Familie zuhause und sein zweites Zuhause bei mir verwaist vorübergehend ohne ihn. Aber doch ach was! Davon wollte ich gar nicht berichten, sondern von der szenischen Lesung, die im Foyer des Katakomben-Theaters als Auftakt- und Vorstellungsveranstaltung des HARDENBERG-PROJEKTES stattfand. Ich wollte es vermeiden, genau so sollte es nicht sein und kommen, aber es kam, wie es kommen musste: Hardenberg hat andere Pläne als ich. Da sei mir schon die Frage erlaubt: Was er denn bezweckt? Will er meinen Platz einnehmen? Plötzlich ist er da! Aus dem Nichts, aus dem Hintergrund - ich weiß es nicht. Ich habe gerade die Handvoll Gäste begrüßt, stamm