Atlantis

Ich schaue mal auf ask.fm zurück. Momentan versuche ich mich ja auf Quora mit einem kulturphilosophischen Salon. Und Melissa H. ist mir gefolgt. Wer war sie nur auf ask? Menschen geben sich online anders zu erkennen als live. Aber ich glaube längst nicht mehr, dass live mehr Authentizität mit sich bringt als online. Nicht bei Menschen! Ganz anders sind Hunde: sie sind authentisch, humorvoll, geistreich und sehr verbunden. Wahre und wahrhafte Seelen. Die Seele des Menschen, so weit ich nur schauen kann, deformiert, überformt, entstellt. Ich habe mit Otto Atlantis auf ask gesucht. Bei all unserer kulturellen Entstellung sind wir redlich und ritterlich miteinander umgegangen. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen alles Gute und ein schönes Leben in all seinem Guten und seiner Güte.

Auf die Frage: was bedeutet Atlantis für dich?

 Liebe Neyse,

Ich glaube, du beziehst dich mit dieser Frage auf unsere Expedition, wozu mich Otto, der @druide0815 eingeladen hat. Die Einladung zählt und bedeutet, die Einladung zu einer Suche nach einem gesellschaftlichen, politischen Schatz - zwei Konträrdenkende in einem Boot. Das könnte Streit, Meuterei und Untergang bedeuten oder ehrlichen Herzens ausgetragen und fair, ein dialektisches Spannungsverhältnis der Widersprüche und Gegensätze, woraus wir etwas lernen können. So entsteht geistige Dynamik im besten Fall. So könnte ich meinen, dass Atlantis für mich die Hoffnung auf einen offenen Diskurs bedeutet. Atlantis wäre dann der Ort, die Stadt, die Polis der Begegnungen der unterschiedlichen Standpunkte, Ansichten, Religionen, Philosophien. Ich weiß gar nicht, ob wir alle stark genug wären, die anderen auszuhalten, sogar darin einen Genuss zu entdecken, Bewohner von Atlantis zu sein. Aber im Ansatz können wir auch sagen und damit Lessings Ringparabel erweitern: in jeder Ansicht liegt eine Kostbarkeiten und Köstlichkeit verborgen oder: Atlantis ist überall! Und leider überall und nirgends! Wir können uns auch überall das Leben zur Hölle machen. Das Geheimnis liegt meines Erachtens darin, dass wir dort versagen müssen, wo wir ohne Empathie reden und handeln, denken und wahrnehmen. Da bleibe ich bei dem wunderbaren Paulus Brief an die Korinther: ohne Liebe ist alles nichts! Der stärkste Glaube, das beste Wissen - alles nur tönend Erz und klingende Schelle ohne die Liebe! Von diesem Geläut haben wir eine Menge. Wie wenig Empathie und ein Gefühl für das eigene Handeln muss ein Mensch haben, wenn er glaubt, andere (gewaltsam) von seiner Haltung überzeugen zu müssen? Die Moderne und der Positivismus haben nichts so sehr gestärkt wie diesen Wahnsinn! Sie nennen es "Aufklärung" und bringen Verderben ins Leben! So ist Atlantis nirgends. Vielleicht erscheint etwas wie Atlantis am Horizont, wenn ich auf dem Expeditionsschiff meinem Freund Otto etwas zurufen kann.

"Ich bin der Vollmondtalker, der Vollmondanbe... nein, nicht der Vollmondanbeter, eher der Vollmondbettler, der Philosophierer, der heulende, einsame Steppenwolf:  uuuuh! Erkenne dich selbst, guter alter Himmelskörper! Und der Mond schweigt steinig und kahl, sandig und kraterig, jeglichem Begrünungsversuch resistent und sagt mir durch sein Schweigen: Erkenne dich selbst, du domestizierter Steppenwolf! So fern ist dir Hesse, wie ich und scheinbar so verlockend leuchtend zum Greifen nah!"

Wir werden uns nicht verstehen und verständigen können, wenden uns einander zu aus der Nähe der Ferne und aus der Ferne der Nähe. Hopsen hoch und schwerelos im Traum der geistigen Mondfahrt, wirbeln etwas Mondstaub auf, als wäre es fairy dust.  Wie sollten wir uns je be-rühren können? Und keiner fragt: warum gehst du nicht im Wald spazieren und atmest den Duft des fallenden Laubs, lauschst der Musik seines Raschelns, begleitet von der Symphonie des Bachs?

Ich höre das Rauschen der Autobahn unfern und den Pfiff einer Hundepfeife. Kommando zurück! Wohlabgerichtete folgen ihm. Ich widerspreche dem Jägerlatein mit allen meinen Freunden und Freuden! Die Witterung der Rehe in der Nase, entschwunden ihre Schönheit in ihrem letzten Refugium: Wildwechsel!

Ich schaue nach langer Zeit wieder vorbei, da bemerke ich, dass die Plattform zu Ende geht. Schön dich kennengelernt zu haben. Doch wo ist dann unser neuer Anfang? Und schmeißen wir alles geschrieben nun hier weg? Das einzige was bleibt sind Erinnerungen? Ein Pups im Kosmos?

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Schau, was mir einer geantwortet hat! Ab in die Klapse! Er ist bestimmt Psychiater und wird mich fachlich korrekt behandeln, während ich übers Kuckucksnest fliege. Ich habe einige unserer Wortwechsel gespeichert. Haben wir nicht versucht, rhetorisch zu glänzen und ermatteten dabei? Wie geht's dir, Bilal?

 

Bilal schreibt mir:

Bevor die ask.fm-Domäne an irgendwelche Wirtschafts-Marketing-Futzis geht, die meinen einen Schnapper gemacht zu haben und jetzt ne generische Internetseite zu führen, gehe ich einmal mit @Klugdiarrhoe in den small-talk. https://ask.fm/Klugdiarrhoe/answers/176455744697

DerBilal’s Profile PhotoJemand
Ich weiß gar nicht, was ich mit so vielen digitalen Erinnerungen anfangen soll. Fühlt sich an als wäre ich wie Touris an jedem Touri-Ort mit dem Smartphone in der Hand, dessen Fotos auch nur in der iCloud landen und nie wieder angeschaut werden. Was wollen meine Ur-Ur-Enkel damit? Die werden doch mit ihren Neuralink-Gehirnen in einem TikTok 2.0 bis an ihr Lebensende stimuliert, da interessiert die doch nicht, was ich vor 93 Jahren im Jahre 2024 auf einer sogenannten "wEbSitE" fabriziert habe. Ein Pups im Kosmos eben.
Aber so pessimistisch möchte ich nicht sein.
In den letzten Monaten war ich hier sporadisch Ninja und habe ab und an für 30 Sekunden nur noch dümmeren Pups aus dem Kosmos in meiner Inbox gelesen und entschieden, dass das zu viel für mein ohnehin schon chaotisches Leben ist. Relativ zu den Lebensumständen anderer Gesellschaftsschichten geht es mir "gut". Der Mikroökonomie meiner Psyche vielleicht so semi gut. Ich bin chronisch unterfordert, was mich so sehr überfordert, dass ich alltägliche Aufgaben schleifen lasse, aus einer 7,30€ Rechnung ein 21,57€ Inkassobrief wird, der Fußboden meiner Wohnung mit One Piece Sammelkarten zugestreut ist und ich maximal die Pizza aus der Tiefkühltruhe in den Ofen befördern kann um mich am Leben zu halten.
Zähne zusammenbeißen und durchziehen. Ein bisschen noch. Doch, mir geht es gut, wirklich. Ich habe tolle Freunde, super-duper Design Aufgaben in der Uni (die ich nicht mache), meine Katze und Counterstrike. Ich habe teilweise wirklich viel Spaß am Leben. Aber dann kommt auch mal eine Riesenfaußt von der Seite und haut mich um als wäre ich vor den Zug gesprungen. 3 Semester noch und ich bin fertig. Und dann nur noch 40 Jahre bis zur Rente? Kann ja gar nicht so schlimm sein, oder?
Dieses Ventil, was sich ask.fm nennt scheint so insignifikant und unbedeutend. Aber ich bin dann doch irgendwie traurig darüber, dass die Pupse aus dem Kosmos hier nicht archiviert werden. Ein Stück Geschichte eben. "Das Internet vergisst nie!". Na toll. Schon wieder wurde ich angelogen. Den Weihnachtsmann sollte es eigentlich auch geben. Noch mehr Enttäuschungen im Leben. Aber machste nix. Der Small-Talk war auch kein Smalltalk, aber ich nutze gerne die Gelegenheit in Erinnerungen zu schwelgen und meine Gedanken aufzuschreiben.
Das war meine Meditation. Das werde ich wohl vermissen. Die Plattform. Dich auch. Die Leute, die mich nicht kennen und die Begegnungen, die nach 2 Wochen schon wieder verstaubt waren.
Was soll's, wir machen dann eben in der Psychiatrie weiter :)

 

An Bilal schreibe ich:

Ich hoffe dir geht es mindestens genauso gut 🥸

DerBilal’s Profile PhotoJemand
Ich habe mir von ask anfangs sehr viel erhofft und versprochen: eine richtige Community sollte entstehen, kunst-, kultur-, theater-, philosophieinteressiert. Auf ask schreibt man, tauscht sich aus, plant Kooperationen, realisiert sie und ab und an gibt es an verschiedenen Orten Community-Treffen real, so auch in unserem Theater damals, das hoffte ich allen Ernstes, für mich sprach nichts gegen diese Hoffnung, außer, wie es sich nach und nach herausstellte: die menschliche und soziale Realität. Nichts verlief in meinem Leben so, wie es hätte aus meiner Sicht pragmatisch verlaufen können. Am Anfang der ask-Phase war ich frisch verheiratet und bald herausgeflogen aus der gemeinsamen Wohnung, eine vierzehnjährige gute Freundin, die hochintelligent und hochbegabt war und viel reifer wirkte, stellte sich im Praktikum am Theater als eine Person heraus, die sie eben altersgemäß war und ich war fürchterlich enttäuscht, was wahnsinnig übertrieben war. Sie hatte mich auf ask aufmerksam gemacht und ich glaubte, hier das passende Medium gefunden zu haben. Im Grunde aber passte nichts. Und wenn ich mir die Anzahl meiner Fehleinschätzungen anschaue, komme ich nicht umhin, mich zu fragen, ob die Welt um mich verrückt ist oder ich, wobei ich nun die Antwort geben würde: sowohl ich als auch die Umwelt sind verrückt. Ob meine Verrücktheit nun nach über elf Jahren weniger geworden und die der Welt angewachsen ist, kann ich mit Sicherheit nicht richtig beantworten. Ich glaube, ich befinde mich in einer Dauerschleife der Täuschung und Enttäuschung und wieder Täuschung. Das einzige, was mir sicher erscheint, ist die Freundschaft und Verbundenheit zu meinen Hundefreunden. Nichts ist mir im Leben so gewiss gewesen wie das! Das tut gut, gibt mir ein Gefühl der Harmonie im Leben, aber alles ist und bleibt fragil. Es sind Menschen, die alles zerstören, und auch ich bin nur ein Mensch. Ob ich hier schreibe oder auf meiner Homepage oder in einem Blog, ist fast egal, ich weiß aber, dass ich mir

Beim Tagebuchschreiben genüge ich mir selbst, da mir die Zeit in die Hände spielt. Nach einer Weile werden mir meine eigenen Einträge fremd und ich lese mich befremdet wieder. Natürlich messen wir uns größere Bedeutung bei, als es uns universell und kosmisch gesehen zukommt. Wir sind uns die nächsten und auch die fremdesten Menschen zugleich, die eigenen Macken erkennen wir am schwersten, vor allem dann, wenn andere Menschen uns nicht spiegeln. Ich aber habe kein Glück mit anderen Menschen. Sie wollen nicht mich spiegeln und auch kein faires Spiegeln und Widerspiegeln auf bilateraler Ebene. Gegenseitigkeit ist Mangelware, Eitelkeit und Narzissmus die Regel. Zynische Kälte, Teilnahmslosigkeit und überall das Streben der Einsamen nach Regelerfüllung und überall Institutionsgläubigkeit. Zweifellos gehöre ich zu den glücklichen Verlierern dieser Gesellschaft, habe wenigstens meine Träume gelebt, meine Illusionen ausprobiert und bin dabei ausgebrannt. Irgendwie muss diese Lebensphase zu Ende gehen und wenn das Gesetz der Anziehung stimmt, von der ich das erste Mal von einer anderen Praktikantin im Theater gehört habe, die ich über ask kennengelernt hatte, dann haben meine Frequenzen genau das Richtige für mich angezogen; es wird höchste Zeit für mich, neue Ebenen zu suchen, neuen Irrtümern zu erliegen, neue Enttäuschungen zu erleben. Langsam komme ich aus dem Burnout in neue Energiefelder und höchstwahrscheinlich in mein letztes Schaffensjahrzehnt. Wer mir folgen, mir Fragen stellen und mich erreichen will, für den ich wiederum schreiben kann, ist gewiss nicht auf ask angewiesen, meine Blogs sind bekannt, Kommentare und Fragen zugelassen. Alle Wege offen.

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